Amt Schlei-Ostsee
-Der Amtsvorsteher -
Bauen und Umwelt

 

Gemeinde Holzdorf

Beschlussvorlage
13/2017
1. Version
öffentlich


Einreicher Aktenzeichen
  Datum
Norbert Jordan   
 
10.04.2017

Beratungsfolge Sitzung
Bau- und Wegeausschuss  
Gemeindevertretung  

Betreff:
Datenblätter zu den Potential- und Vorrangflächen

Sachverhalt:
Siehe Sachverhalt zur Beschlussvorlage "gesamträumliches Planungskonzept".     

Abstimmungstext:
Es wird beschlossen zu den Datenblättern folgende Stellungnahme abzugeben:

Vorrang / Potentialfläche PR2_RDE_007
Der Abwägungsempfehlung wird nicht gefolgt. Die Fläche ist als Vorrangfläche zu streichen. Die Ortslage Söby besticht durch eine ländlich zerstreute Wohnbebauung. Ein wesentlicher Teil der Holzdorfer Einwohnerinnen und Einwohner leben dort. Durch die im Osten des Gemeindegebiets vorgesehenen Vorrangflächen ist mit einer massiven Beeinträchtigung zu rechnen.

Potentialfläche PR2_RDE_004
Der Abwägungsempfehlung wird nicht gefolgt. Die Fläche war in der Vergangenheit als Windeignungsgebiet vorgesehen. Ausführliche Untersuchungen durch die Fa. Prokon haben ergeben, dass ein konkretes Konfliktrisiko mit Grußvögeln (hier: Seeadler) nicht vorliegen soll. Diesbezüglich erfolgten bereits Vorabstimmungen mit dem LLUR.
Die Gemeinde hält an ihren bisherigen Entscheidungen zu dieser Fläche fest. Diese ist als Vorrangfläche auszuweisen.

Vorrangfläche PR2_RDE_009
Die möglichen Potential- und Vorrangflächen im Gemeindegebiet Rieseby waren nicht Bestandteil des informellen Planungskonzepts des Amtes Schlei-Ostsee. Dies ist entsprechend zu korrigieren. Eine Bewertung der Fläche kann nicht an Inhalten dieses Konzeptes orientiert werden.
Das Gut Saxtorf liegt dichter 800 m an dem Vorranggebiet. Es ist unter Berücksichtigung denkmalschutzrechtlicher Belange noch einmal konkret zu prüfen.

Die Gemeinde Holzdorf hält an ihrer Stellungnahme, die im Rahmen der damaligen Bauleitplanung der Gemeinde Rieseby zu diesem Windpark - 9. Änderung F-Plan und vorh.bezogene Bebauungspläne 17.1 und 17.2 -, abgegeben wurde, fest.

Lage des geplanten Windparks in der Gemeinde Rieseby auf dem Gebiet des Gutes Saxtorf
Die Planung für die 6 Windanlagen sieht eine Lage im äußersten Randbereich der Gemeinde Rieseby vor. Folglich befindet sich das Gebiet damit unmittelbar an der Grenze zu den Gemeinden Loose und vor allem Holzdorf. Zugrunde zu legen sind vorerst die angegebenen Abstände von 609 m und 668 m (jeweils Loose) und 602 m, 629 m, 657 m, 674 m, 710 m, 735 m, 781 m, 793 m zu Holzdorf. Dies beinhaltet, dass in Loose, vor allem aber in Holzdorf zum Teil nicht nur eine, sondern zwei oder sogar drei Anlagen in unmittelbarer Nähe der Häuser von Anwohnern liegen. Weitere Belastungsflächen der Gemeinde Holzdorf befinden sich mit dem größeren Teil der Dorfstraße und verschiedenen anderen Wohnanlagen unter 1,5 km von den Anlagen entfernt.

Die Entfernung zum einzigen in Rieseby betroffenen Wohnplatz (im Besitz des Landeigentümers der Windanlage) beträgt mit 1049 m fast das Doppelte der geringsten Entfernungen zu Holzdorf und Loose.
Die Ortslage Rieseby ist aufgrund der Entfernungen und der Landschaftsbeschaffenheit vom potentiellen Standort des Windparks praktisch nicht betroffen.

Rieseby und Holzdorf liegen mit ihren Gemeindearealen auf dem Gebiet des jüngsten Naturparks in der Landschaft Schwansen/Angeln (eingerichtet 2008), so dass die geplante Anlage sich inmitten eines Naturparks befindet.
Gleichzeitig läge die Anlage damit im Mittelpunkt eines Areals, das von den Küstenlinien der Schlei und der Ostsee her von ausgedehnten Landschaftsschutzzonen bzw. charakteristischen Landschaftsräumen fast vollständig umgeben ist. Diese Flächen sind teilweise von den zuständigen Behörden als maximal schützenswert qualifiziert worden, weil sich auf ihnen Rastplätze für Zugvögel und teils auch Brutgebiete befinden. Das Windanlagengebiet selbst befindet sich teilweise in einem potentiellen Beeinträchtigungsgebiet (Brutplätze).
Die vorerwähnte Lage der geplanten Windmühlen im Mittelpunkt dieser als avifaunistisch besonders wertvoll eingestuften Flächen zieht damit automatisch nach sich, dass im Frühjahr, im Spätsommer und im Herbst zu jeder Tages- und Nachtzeit Vogelschwärme das Gebiet in verschiedenen Flughöhen (unmittelbarer Einwirkungsbereich der Rotoren sowie der Thermik) kreuzen. Zudem ist das Gebiet Kernbereich eines gut besetzten Seeadler-Streifgebiets. Verluste in beträchtlichem Ausmaß erscheinen damit programmiert.

Weiteres maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Lage eines geplanten Windparks ist der dortige ausgedehnte Biotop-Verbund, in dessen Bereich die Windmühlen liegen würden.
Das Biotop zieht sich von einem Bereich nordwestlich der Gesamtanlage über den Standort von mindestens drei der Einzelanlagen über die B 203 hinweg bis zum Großen Moor Holzdorf/Loose/Waabs. Auf Riesebyer Gebiet, beginnend mit dem Kollholz und anderen kleinen Waldflächen, dem Saxtorf-Moor mit Gehölzen, Tümpeln und Feuchtflächen über eine postglaziale Verlandungsfläche, die seit Jahrzehnten nur extensiv genutzt wird und dementsprechend über eine reichhaltige Flora und Fauna verfügt, über die B 203 hinweg auf Holzdorfer/Looser/Waabser Gemeindegebiet mit dem biologisch besonders wertvollen geschlossenen Gebiet des Großen Moores.
Zwischen den einzelnen Bereichen des Biotops findet nachweislich ein intensiver und fortwährender Austausch verschiedener, teils geschützter Tierarten statt.

Zusammenfassend muss man - ohne vorerst auf Einzelheiten einzugehen - folglich konstatieren, dass das bezeichnete Gebiet von verschiedenen Aspekten her als äußerst sensible Fläche zu bewerten ist, deren Eignung für Windanlagen aufgrund ihrer Standortempfindlichkeit daher a priori massiv zu bezweifeln ist.
Zudem treffen in der Praxis alle vorliegenden, teilweise durch die Gesetzgebung bewußt ermöglichten Lasten u.a. auch aufgrund der Größe der geplanten Anlage ausschließlich die Holzdorfer (Looser) Anwohner, während Rieseby de facto kaum tangiert ist. Im Einzelnen wird nachstehend auf verschiedene Punkte noch einmal näher eingegangen.

Abstände von Wohnanlagen
Gemessen an den Festlegungen des Gesetzgebers bezüglich der Abstände zu Wohneinheiten erfüllen die Planvorgaben die Entfernungen zu Ortslagen.
Nicht nachvollziehbar ist hingegen die Einstufung des Ortsteils Moorbrücke als Splittersiedlung, woraus abgeleitet wird, dass die dreifache Anlagenhöhe (600 m) als Entfernung ausreicht. Moorbrücke besteht aus fünf selbstständigen Wohneinheiten, so dass auch hier der Abstand von 800 m einzuhalten wäre, im Übrigen handelt es sich um eine ländliche Ansiedlung.
§ 35, Abs.1, Nr.5 BauGB dürfte also mit seiner Differenzierung von Abständen nicht greifen, wobei im vorliegenden Falle das Spannungsfeld zwischen den Vorschriften des § 35 BauGB und dem Art. 3 GG nicht bewertet wird.
Selbst wenn man bezüglich der Wohnanlage Moorbrücke 1 einen Abstand von 600 m akzeptieren würde, müsste aufgrund des Radius' des Rotors der Mastfuß 663/650 m vom Haus entfernt stehen, damit die Mindestentfernung bei jeder Rotorstellung gewährleistet wäre. Dies ist nicht der Fall.

Anzumerken ist im Übrigen, dass auch die korrekten Abstände angesichts der Höhe der geplanten Großwindanlagen eine nicht hinnehmbare Belastung der Betroffenen darstellen. Die in diesem Sinne willkürlich erscheinenden Werte, die vermutlich aus in der Vergangenheit deutlich geringeren Höhen von Windanlagen resultieren, müssten - insbesondere auch aufgrund der Befeuerung von Großwindanlagen - dringend an die tatsächlichen Gegebenheiten, also die nicht hinnehmbare Belastung der Menschen durch zu geringe Entfernungen, angepasst werden.

Außerdem ist bei der Beurteilung der vielfältigen Belastungen unmittelbarer Anlieger der Großwindanlage explizit darauf hinzuweisen, dass sie neben den teils gravierenden Belastungen des Alltags durch den Betrieb der Anlagen auch in ihrem Vermögen betroffen sind. Eine Immobilie im Nahbereich einer Windanlage, zudem noch der Größe der hier geplanten, verliert nach Expertenmeinung in der Größenordnung von 30 bis 70 Prozent an Wert, im schlimmsten Fall kann es zur Unverkäuflichkeit der Immobilie kommen.
Bereits bei dem geringsten Verlust von angenommenen 30 Prozent liegt de facto eine "kalte Enteignung" vor.

Visuelle Bedrängung
Angesichts von sechs Anlagen mit einer jeweiligen Höhe von rund 200 m, den derzeit größten in Schleswig-Holstein, auf einer relativ konzentrierten Fläche bekommt der in der Praxis mittlerweile anerkannte Begriff der "visuellen Bedrängung" eine besondere Bedeutung.
Von den Häusern der unmittelbar Betroffenen aus sind alle sechs Anlagen in voller Größe zu sehen.. Das heißt, die am dichtesten gelegenen Mühlen befinden sich nach der Planung in einer Entfernung von nicht einmal 600 bis 800 m. Dies gilt für jeweils zwei oder drei Anlagen, dahinter erscheinen in Entfernungen von 1000 m bis maximal unter 2000 m die übrigen drei Mühlen.
Auch die Auswirkungen einer solchen "visuellen Bedrängung" sind medizinisch quantifizierbar. Menschen also, die seit Generationen in diesem vergleichsweise gering besiedelten Gebiet wohnen oder das Wohngebiet aufgrund seiner geringen Bevölkerungs- und Bebauungsdichte extra ausgewählt haben, werden unversehens durch Dauerbelastungen bedroht, die denen einer Industrie- oder Gewerberegion nicht nachstehen. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen den Vertrauensschutz. Auch dieser Belastungspunkt müsste in einer Umweltverträglichkeitsprüfung behandelt werden.

Auswirkungen der Großwindanlage auf den Tourismus
In den Stellungnahmen der Betreiber wird lapidar festgestellt, dass eine Auswirkung auf den Tourismus nicht anzunehmen bzw. zu vernachlässigen ist. Dieses mag für die Gemeinde Rieseby gelten, die in der Tat durch die aus den Anlagen resultierenden Belastungen aufgrund der Entfernungen praktisch nicht tangiert ist.
In sehr starkem Ausmaß ist indes die Tourismusgemeinde Holzdorf betroffen. Dies gilt in erkennbarem Maße für die bereits erwähnten unmittelbaren Anlieger des Nahbereichs, aber auch für etliche Objekte im Bereich der Dorfstraße von Holzdorf, die von den Großwindanlagen mit Lärm-und Schattenemissionen ebenfalls unmittelbar bedroht sind. Außerdem ist es angesichts der sich wandelnden Einstellung zu massierten Großwindanlagen nicht mehr fraglich, dass eine solche Anlage kein positiver Wegweiser zu Ferienprojekten ist. Vermieter in der unmittelbaren Nähe wären gezwungen - im Sinne von Wahrheit und Klarheit - in ihrer Werbung auf die bedrängende Nähe einer Großwindanlage hinzuweisen. Andernfalls hätten Feriengäste das Recht, ihren Preis merklich zu reduzieren, was nicht abwälzbar wäre, sondern vollständig zu Lasten des Vermieters ginge.

Im Landesteil Schwansen ergibt sich durch den Tourismus eine Wertschöpfung von insgesamt 78 Mio € pro Jahr (Erhebung 2008), eine Größe, die angesichts der lokalen Struktur nicht vernachlässigt werden darf.
Heruntergebrochen auf die zwar kleine, aber traditionell starke Tourismusgemeinde Holzdorf ergäbe sich damit bei aller Vorsicht ein ungefährer Wert von ca. 1 Mio € Wertschöpfung (basierend auf Zahlen von 2003, daher voraussichtlich heute höher). Dieser Betrag hat für die eher einkommensschwache Gemeinde Holzdorf eine beträchtliche Bedeutung. Insofern hätte auch eine nur geringfügige Verschlechterung der Bedingungen in der Gemeinde Auswirkungen, die keinesfalls vernachlässigt werden dürfen.
Auch hier hätte dann die Gemeinde Holzdorf eine Last zu tragen, die sie nicht zu verantworten hat.    


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Norbert Jordan
-Verwaltung-