Amt Schlei-Ostsee
-Der Amtsvorsteher -
Bauen und Umwelt

 

Gemeinde Holzdorf

Beschlussvorlage
15/2017
1. Version
öffentlich


Einreicher Aktenzeichen
  Datum
Norbert Jordan   
 
08.05.2017

Beratungsfolge Sitzung
Bau- und Wegeausschuss  
Gemeindevertretung  

Betreff:
Abgabe einer Stellungnahme im Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immisionsschutzgesetz zum "Windpark Saxtorf"

Sachverhalt:
In der Gemeinde Rieseby soll ein Windpark errichtet werden. Bei dem beantragten Verfahren handelt es sich um ein Vorhaben nach dem Umweltverträglichkeitprüfungsgesetz (UVPG). Aufgrund der allgemeinen Vorprüfung wurde durch die Genehmigungsbehörde festgestellt, dass Anhaltspunkte für erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen vorliegen. Nach Einschätzung der Genehmigungsbehörde ist daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich, die gemäß § 1(2) der 9. BImSchV ein unselbständiger Teil des Genehmigungsverfahrens ist.

Die Antragsunterlagen enthalten folgende Gutachten:
  • Lärmgutachten
  • Schattenwurf-Gutachten
  • Faunistischer Fachbeitrag
  • Umweltverträglichkeitsstudie

Die Unterlagen zu den geplanten Windkraftanlagen liegen in den Dienststellen des Amtes Schlei-Ostsee (Hauptstelle Eckernförde und Außenstelle Rieseby), zu den jeweiligen Öffnungszeiten, in der Zeit vom 18.04. bis einschl. 17.05.2017 zur Einsicht aus. Während der Auslegungsfrist und bis zu zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist, also bis zum 31.05.2017, können Einwendungen gegen das Vorhaben schriftlich bei der Genehmigungsbehörde, dem LLUR, oder dem Amt Schlei-Ostsee eingereicht werden. Die Einwendungen müssen bis zum letzten Tag der Einwendungsfrist bei einer der Auslegungsstellen eingegangen sein.

Die Erörterung und die damit verbundene Entscheidung zu den Einwendungen wird dann am 19.07.2017, ab 10:00 Uhr, in der Turnhalle der Schleischule in Rieseby erfolgen.

Die Gemeinde möge darüber beraten und entscheiden, ob eine Stellungnahme zu den vorliegenden Unterlagen abgegeben werden soll. Zugleich ist der Inhalt/Umfang der Stellungnahme festzulegen.     

Abstimmungstext:
Es wird beschlossen zu den öffentlich ausliegenden Antragsunterlagen zum Windpark Rieseby folgende Stellungnahme abzugeben:

Die Gemeinde Holzdorf hält an ihrer Stellungnahme, die im Rahmen der damaligen Bauleitplanung der Gemeinde Rieseby zu diesem Windpark - 9. Änderung F-Plan und vorh.bezogene Bebauungspläne 17.1 und 17.2 -, abgegeben wurde, fest.
Sofern ein Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert wurde, ist durch die Planfeststellungsbehörde zu prüfen, ob die Forderungen in den Antragsunterlagen entsprechend Niederschlag gefunden haben.

Stellungnahme der Gemeinde Holzdorf zur Planung sowie zum Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung
Lage des geplanten Windparks in der Gemeinde Rieseby auf dem Gebiet des Gutes Saxtorf
Die Planung für die 6 Windanlagen sieht eine Lage im äußersten Randbereich der Gemeinde Rieseby vor. Folglich befindet sich das Gebiet damit unmittelbar an der Grenze zu den Gemeinden Loose und vor allem Holzdorf. Zugrunde zu legen sind vorerst die angegebenen Abstände von 609 m und 668 m (jeweils Loose) und 602 m, 629 m, 657 m, 674 m, 710 m, 735 m, 781 m, 793 m zu Holzdorf. Dies beinhaltet, dass in Loose, vor allem aber in Holzdorf zum Teil nicht nur eine, sondern zwei oder sogar drei Anlagen in unmittelbarer Nähe der Häuser von Anwohnern liegen. Weitere Belastungsflächen der Gemeinde Holzdorf befinden sich mit dem größeren Teil der Dorfstraße und verschiedenen anderen Wohnanlagen unter 1,5 km von den Anlagen entfernt.

Die Entfernung zum einzigen in Rieseby betroffenen Wohnplatz (im Besitz des Landeigentümers der Windanlage) beträgt mit 1049 m fast das Doppelte der geringsten Entfernungen zu Holzdorf und Loose.
Die Ortslage Rieseby ist aufgrund der Entfernungen und der Landschaftsbeschaffenheit vom potentiellen Standort des Windparks praktisch nicht betroffen.

Rieseby und Holzdorf liegen mit ihren Gemeindearealen auf dem Gebiet des jüngsten Naturparks in der Landschaft Schwansen/Angeln (eingerichtet 2008), so dass die geplante Anlage sich inmitten eines Naturparks befindet.
Gleichzeitig läge die Anlage damit im Mittelpunkt eines Areals, das von den Küstenlinien der Schlei und der Ostsee her von ausgedehnten Landschaftsschutzzonen bzw. charakteristischen Landschaftsräumen fast vollständig umgeben ist. Diese Flächen sind teilweise von den zuständigen Behörden als maximal schützenswert qualifiziert worden, weil sich auf ihnen Rastplätze für Zugvögel und teils auch Brutgebiete befinden. Das Windanlagengebiet selbst befindet sich teilweise in einem potentiellen Beeinträchtigungsgebiet (Brutplätze).
Die vorerwähnte Lage der geplanten Windmühlen im Mittelpunkt dieser als avifaunistisch besonders wertvoll eingestuften Flächen zieht damit automatisch nach sich, dass im Frühjahr, im Spätsommer und im Herbst zu jeder Tages- und Nachtzeit Vogelschwärme das Gebiet in verschiedenen Flughöhen (unmittelbarer Einwirkungsbereich der Rotoren sowie der Thermik) kreuzen. Zudem ist das Gebiet Kernbereich eines gut besetzten Seeadler-Streifgebiets. Verluste in beträchtlichem Ausmaß erscheinen damit programmiert.

Weiteres maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Lage eines geplanten Windparks ist der dortige ausgedehnte Biotop-Verbund, in dessen Bereich die Windmühlen liegen würden.
Das Biotop zieht sich von einem Bereich nordwestlich der Gesamtanlage über den Standort von mindestens drei der Einzelanlagen über die B 203 hinweg bis zum Großen Moor Holzdorf/Loose/Waabs. Auf Riesebyer Gebiet, beginnend mit dem Kollholz und anderen kleinen Waldflächen, dem Saxtorf-Moor mit Gehölzen, Tümpeln und Feuchtflächen über eine postglaziale Verlandungsfläche, die seit Jahrzehnten nur extensiv genutzt wird und dementsprechend über eine reichhaltige Flora und Fauna verfügt, über die B 203 hinweg auf Holzdorfer/Looser/Waabser Gemeindegebiet mit dem biologisch besonders wertvollen geschlossenen Gebiet des Großen Moores.
Zwischen den einzelnen Bereichen des Biotops findet nachweislich ein intensiver und fortwährender Austausch verschiedener, teils geschützter Tierarten statt.

Zusammenfassend muss man - ohne vorerst auf Einzelheiten einzugehen - folglich konstatieren, dass das bezeichnete Gebiet von verschiedenen Aspekten her als äußerst sensible Fläche zu bewerten ist, deren Eignung für Windanlagen aufgrund ihrer Standortempfindlichkeit daher a priori massiv zu bezweifeln ist.
Zudem treffen in der Praxis alle vorliegenden, teilweise durch die Gesetzgebung bewußt ermöglichten Lasten u.a. auch aufgrund der Größe der geplanten Anlage ausschließlich die Holzdorfer (Looser) Anwohner, während Rieseby de facto kaum tangiert ist.

Konkrete Einzelaspekte

1. Auswirkungen der vom Gesetzgeber geforderten Mindestbedingungen für die Genehmigungsfähigkeit von Windanlagen

1. 1. Abstände von Wohnanlagen
Gemessen an den Festlegungen des Gesetzgebers bezüglich der Abstände zu Wohneinheiten erfüllen die Planvorgaben die Entfernungen zu Ortslagen.
Nicht nachvollziehbar ist hingegen die Einstufung des Ortsteils Moorbrücke als Splittersiedlung, woraus abgeleitet wird, dass die dreifache Anlagenhöhe (600 m) als Entfernung ausreicht. Moorbrücke besteht aus fünf selbstständigen Wohneinheiten, so dass auch hier der Abstand von 800 m einzuhalten wäre, im Übrigen handelt es sich um eine ländliche Ansiedlung.
§ 35, Abs.1, Nr.5 BauGB dürfte also mit seiner Differenzierung von Abständen nicht greifen, wobei im vorliegenden Falle das Spannungsfeld zwischen den Vorschriften des § 35 BauGB und dem Art. 3 GG nicht bewertet wird.
Selbst wenn man bezüglich der Wohnanlage Moorbrücke 1 einen Abstand von 600 m akzeptieren würde, müsste aufgrund des Radius' des Rotors der Mastfuß 663/650 m vom Haus entfernt stehen, damit die Mindestentfernung bei jeder Rotorstellung gewährleistet wäre. Dies ist nicht der Fall.

Anzumerken ist im Übrigen, dass auch die korrekten Abstände angesichts der Höhe der geplanten Großwindanlagen eine nicht hinnehmbare Belastung der Betroffenen darstellen. Die in diesem Sinne willkürlich erscheinenden Werte, die vermutlich aus in der Vergangenheit deutlich geringeren Höhen von Windanlagen resultieren, müssten - insbesondere auch aufgrund der Befeuerung von Großwindanlagen - dringend an die tatsächlichen Gegebenheiten, also die nicht hinnehmbare Belastung der Menschen durch zu geringe Entfernungen, angepasst werden.

Außerdem ist bei der Beurteilung der vielfältigen Belastungen unmittelbarer Anlieger der Großwindanlage explizit darauf hinzuweisen, dass sie neben den teils gravierenden Belastungen des Alltags durch den Betrieb der Anlagen auch in ihrem Vermögen betroffen sind. Eine Immobilie im Nahbereich einer Windanlage, zudem noch der Größe der hier geplanten, verliert nach Expertenmeinung in der Größenordnung von 30 bis 70 Prozent an Wert, im schlimmsten Fall kann es zur Unverkäuflichkeit der Immobilie kommen.
Bereits bei dem geringsten Verlust von angenommenen 30 Prozent liegt de facto eine "kalte Enteignung" vor.

1.2. Lärmbelastung
Das nördliche Schleswig-Holstein - damit auch die Landschaft Schwansen - befindet sich klimatisch gesehen in einem ausgesprochenen Seeklimagebiet. Dies ist bedingt durch die Lage zwischen Nord- und Ostsee, insbesondere aber durch die ausgeprägte, im Prinzip systemimmanente Westströmung, die durch die Nähe der Nordsee als westlichstem Teil des Nordatlantik inklusive der Auswirkungen des Golfstroms bedingt ist.
In der Praxis bedeutet das, dass das relevante Gebiet ganzjährig in dieser Westströmung liegt, wobei das Spektrum der Luftbewegung sich zwar von Nord bis Süd bewegt, laut Klimaanalyse jedoch an den meisten Tagen eines Jahres von der Westströmung dominiert wird - also von Nordwest bis Südwest, wobei Südwetterlagen eher selten auftreten.
Ostwetterlagen stellen im Vergleich mit den Westwindströmungen im Verlaufe eines Jahres fast die Ausnahme dar.

Daraus ist zu folgern, dass die objektiv auftretende, immanente Geräuschbelastung durch die Anlagen mit einer Ausnahme (Saxtorf; 1049 m Entfernung) vor allem die Menschen in den durchschnittlich deutlich näher an den Anlagen befindlichen Häusern und Gehöften in Holzdorf (Loose) betrifft.

1.2.1. Nächtliche Lärmbelastung
Laut Betreiber-Wertung sind in den bezeichneten Gebieten die Richtwerte für die nächtliche Lärmbelastung (45 dBA) bei allen betroffenen Wohngebieten erfüllt bzw. teils sogar deutlich unterschritten, wobei wiederum der Wert für Saxtorf mit 36,6 dBA um 8 dBA gegenüber dem als maximal bezeichneten Wert in Holzdorf überdeutlich niedriger liegt (logarithmische Funktion!). Die angegebenen Zahlen sind also theoretischer Art, während die Erfahrung zeigt, dass in der Praxis deutlich höhere Werte vermerkt werden. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Zahlen die erlaubten Höchstwerte überschreiten.

Es muss jedoch ausdrücklich betont werden, dass auch ein Wert knapp unter der erlaubten Grenze von 45 dBA, der angesichts der bekannten Windverhältnisse als unablässiges nächtliches Dauergeräusch angenommen werden muss, eine permanente, nicht tolerable Belastung der Menschen darstellt.
Denn aufgrund zahlreicher medizinischer Studien ist unzweifelhaft, dass Dauergeräusche auch im vorgegeben dBA-Bereich zu gesundheitlichen Nachteilen für die dauerbeschallten Personen führen.

Die nächtlichen Dauerbeschallungen bezeichnen indes nur einen Problembereich der geplanten Anlage.

1.2.2. Tages-Lärmbelastung
Die Tagesbeschallung erfolgt das ganze Jahr über an Werktagen, am Wochenende und an Feiertagen. Diese Beschallung darf Werte bis 60 dBA erreichen, also signifikant über den in aller Regel bereits als beeinträchtigend empfundenen Nachtwerten liegen.

Konkrete Messungen haben ergeben, dass bereits die Lärmentwicklung von Anlagen im niedrigen Windbereich (4,5 m/sek) als störend empfunden wird.
Da die Windgeschwindigkeiten in der Region diese Wertejedoch regelmäßig übersteigen, ist auch die auf Dauer zu vergegenwärtigende Belastung deutlich höher einzuschätzen. Außerdem handelt es sich bei den Geräuschemissionen von Windanlagen ohnehin nicht um das von Betreibern stets angeführte, ihrer Meinung nach zu vernachlässigende Dauergeräusch.

Tatsache ist, dass der Lärmpegel von Windanlagen sich aus Geräuschen verschiedener Art und Stärke zusammensetzt. Insofern muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es sich ohnehin keineswegs um ein "ruhiges" Dauergeräusch handelt. Vielmehr wird die auch daraus bereits resultierende Belastung des Einzelnen noch deutlich dadurch verstärkt, dass der Pegel ein Konglomerat verschiedener Geräusche mit den entsprechenden Auswirkungen darstellt.
Als weitere Verstärkung der Belastung kommt hinzu, dass es bei sechs Anlagen immer wieder zu Interferenzerscheinungen kommt, die den Gesamtpegel fallweise deutlich nach oben verlagern.

1.2.3. Zusammenfassung
Insgesamt ist davon auszugehen, dass es sich bei den Angaben der Betreiber um theoretische Aussagen handelt, die - abgesehen von grundsätzlichen Zweifeln an der angegebenen Lautstärke - die Art der Belastung für die Menschen nicht realitätsbezogen darstellen.
Realiter beruht die objektiv vorhandene Dauerbelastung auf störenden Emissionen mit einem beträchtlichen Geräuschspektrum, das durch Überlagerungen zu jeder Zeit den Geräuschpegel signifikant nach oben treiben kann.
Da in der Praxis bereits Dauerbelastungen auch im Bereich niedrigerer Windstärken (siehe oben) das Lebensumfeld der Betroffenen stark beeinträchtigen, wird die tatsächlich zu erwartende Belastung von erheblichem Umfang sein.

Es ist bekannt,
  • dass Menschen im Lärmbereich der Anlagen sich daran gewöhnen müssen, ihre Fernseher oder Musikanlagen lauter zu stellen, um das Außengeräusch zu übertönen,
  • dass in bestimmten Bereichen Terrassen aufgrund der Lärmbelastung nicht mehr genutzt werden können,
  • dass Betroffene nachts bei geschlossenen Fenstern schlafen müssen, weil das Dauergeräusch der Anlagen unerträglich ist.

Für die vorliegende geplante Großanlage ist also davon auszugehen, dass die Lasten des damit untrennbar verbundenen Lärmausstoßes vor allem Holzdorf (Loose) betreffen und in der Praxis das Lebensumfeld der gegen ihren Willen involvierten Menschen bis hin zu gesundheitlichen Schäden nachhaltig beeinträchtigen werden.
Gem. § 2, Abs.1, Nr.2 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVPG) ist damit das Schutzgut "Mensch" massiv betroffen, so dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen ist.

1.3. Schattenwurf

1.3.1. Umfang und Auswirkung des Lichtwechsels
Äußerst bedeutsam für den Schutz der im Belastungsbereich der Anlagen wohnenden Menschen ist die Tatsache, dass Mühlen in einer Gesamthöhe von jeweils 200 m einen beträchtlichen Schattenwurf bzw. andauernden Lichtwechsel bewirken.
Hinzu kommt, dass es sich um insgesamt sechs Anlagen innerhalb einer Verdichtungszone handelt, so dass es beim Schattenwurf wie auch bereits bei den Lärmemissionen zu Interferenzerscheinungen und damit fallweise zu sehr ausgedehnten Reichweiten kommt (siehe Schattenprognose der Betreiber).
Laut Statistik gibt es in Schleswig-Holstein durchschnittlich etwa 1.500 Sonnenstunden. Für Holzdorf bedeutet das sogar laut Gutachterprognose bei entsprechender Lichtintensität, das heißt nicht nur bei Sonnenschein, sondern bereits bei diffusem Licht z. B. während Phasen dünner Bewölkung und sogar bei intensiverem Mondschein kontinuierlicher Schattenwurf bzw. Lichtwechsel täglich zu vergegenwärtigen sein wird. Selbst der Gutachter geht von der Notwendigkeit einer Abschaltautomatik aus, da der maximale Richtwert von 30 Minuten pro Tag regelmäßig überschritten wird.

Ohne hier die grundsätzliche Problematik einer für die Anwohner von den Fakten her unverzichtbaren Abschaltphase in die Überlegungen einzubeziehen, ist jedoch klar erkennbar, dass Schattenwurf und Lichtwechsel ein nicht zu ignorierendes Problem für die Anwohner darstellen. Massiv betroffen aufgrund zweifacher Belastung sind die Einwohner der zudem noch innerhalb des mittleren Lärmpegels liegenden Gebiete Poppenhörn, Wettstein, Vierländer, Steintal, Liebesallee, Tingborn 1, Moorbrücke. Im Bereich des äußeren Lärmpegels kommt Tingborn in seiner Gesamtheit, Muusnest, Hühnerland und ein großer, teils beidseitiger Teil der Dorfstraße bis fast nach Seeholz hinzu.

Je nach Sonnenstand und Lichtintensität haben die Betroffenen im Zweifel täglich mit der sich fallweise potenzierenden Belastung des Lichtwechsels zu tun. Selbst von der Rückseite der Rotoren gehen noch Lichtreflexe aus, so dass nicht nur die Phasen, in denen die Sonne hinter den Anlagen steht, für die Belastung relevant sind, sondern ein Zeitraum von deutlich größerer Ausdehnung. Insofern sind die Angaben des Gutachters grundsätzlich in Zweifel zu ziehen.
Aus der geringeren Höhe des Sonnenstandes über dem Horizont ergibt sich in der Zeit vom Herbst, über den Winter bis zum Frühjahr eine besondere Belastung.

1.3.2. Zusammenfassung
Im Fazit werden zahlreiche Einwohner der betroffenen Bereiche - wie bereits bezüglich der Lärmbelastung dargelegt - im Sommerhalbjahr ihre Terrassen bzw. weitere Teile ihrer Grundstücke nicht mehr nutzen können. Halten sie sich innerhalb ihrer Häuser auf, werden sie Vorhänge bzw. Jalousien schließen müssen, um wenigstens der Maximalwirkung des rotierenden Lichtwechsels zu entkommen.
De facto bedeutet dies, dass die betroffenen Bewohner zum einen ihre Tagesabläufe nach dem Lichtwechsel einrichten müssen, um wenigstens ein Minimum an Lebensqualität für sich erhalten zu können. Zum anderen beinhaltet es jedoch auch, dass sie der Belastung niemals vollständig entrinnen können.

Nach allgemeiner Erkenntnis bewirkt dies eine unerträgliche Beschränkung und Beeinträchtigung der Lebensverhältnisse und damit auch der gesetzlich garantierten Freizügigkeit bei der Einrichtung dieser Lebensverhältnisse. Auch bezüglich des Schattenwurfs wäre demnach gemäß den Vorschriften des UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu fordern.

2. Rechtliche Folgen aus dem Punkt 1. mit Unterpunkten :
Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Maßgabe des UVPG
Die Darstellungen der Umweltprüfung der Betreiber machen deutlich, dass es sich bei ihren Belastungswerten lediglich um Annahmen handelt, auch wenn einzuräumen ist, dass diese auf einer gewissen Erfahrung beruhen. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, dass in praxi derartige Zahlen unter Umständen grundlegende Korrekturen erfahren. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass Betreiber von Windanlagen Belastungsindikatoren aufgrund ihrer eigenen Interessenlage kaum höher als unbedingt notwendig ansetzen werden. Daraus wiederum folgt - und dies zeigt ebenfalls die Erfahrung - , dass die tatsächlichen Belastungen teilweise beträchtlich nach oben korrigiert werden müssen.

Um tatsächliche Belastungen realitätsnah erfassen und quantifizieren zu können, ist es folglich notwendig, nach § 1, Abs.1 UVPG Auswirkungen der geplanten Großwindanlage auf die Umwelt mit geeigneten Prüfungsmaßnahmen frühzeitig und umfassend zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten, da nach § 2, Abs.1, Nr.1 das UVPG insbesondere auch die Auswirkungen eines Vorhabens auf den Menschen einschließlich seiner Gesundheit erfasst.

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist aufgrund der Bedeutung der Planung unabdingbar.

3. Vom Gesetzgeber nicht oder nur indirekt benannte Auswirkungen von Windanlagen auf das Lebensumfeld- und die Lebensqualität der betroffenen Menschen

3.1. Lichtverschmutzung
Aufgrund der beträchtlichen Höhe der Anlagen verlangt der Gesetzgeber aus Sicherheitsgründen eine durchgehende nächtliche Befeuerung: zweimal am Mast, einmal an der Nabe. Das sind 18 teils blinkende Lichtsignale in einem ansonsten überhaupt nicht beleuchteten Areal, so dass die Lichtwirkung selbst synchronisierter und möglicherweise gesteuerter Befeuerungen hier besonders groß ist.
Was bezüglich der Sicherheitsaspekte erwünscht ist, erweist sich damit einmal mehr als ausufernde Belastung für die nahe der Anlagen wohnenden Bürger der Gemeinde, aber auch für ausgedehnte Teile der Umgebung, da die Alarmwirkung über große Distanzen gewollt ist.
Die Gemeinde hat folglich mit einer Lichtverschmutzung weit über dem Niveau eines kleineren Flugplatzes zu rechnen. Ein Flugplatz hätte aufgrund der nachgewiesenen Negativwirkung von u.a. von Lichtverschmutzung auf die Menschen der Umgebung indes Zeiten der Nachtruhe strikt einzuhalten!
Auch in Bezug auf diesen Punkt ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu fordern.

3.2. Visuelle Bedrängung
Angesichts von sechs Anlagen mit einer jeweiligen Höhe von rund 200 m, den derzeit größten in Schleswig-Holstein, auf einer relativ konzentrierten Fläche bekommt der in der Praxis mittlerweile anerkannte Begriff der "visuellen Bedrängung" eine besondere Bedeutung.
Von den Häusern der unmittelbar Betroffenen aus sind alle sechs Anlagen in voller Größe zu sehen.. Das heißt, die am dichtesten gelegenen Mühlen befinden sich nach der Planung in einer Entfernung von nicht einmal 600 bis 800 m. Dies gilt für jeweils zwei oder drei Anlagen, dahinter erscheinen in Entfernungen von 1000 m bis maximal unter 2000 m die übrigen drei Mühlen.
Auch die Auswirkungen einer solchen "visuellen Bedrängung" sind medizinisch quantifizierbar. Menschen also, die seit Generationen in diesem vergleichsweise gering besiedelten Gebiet wohnen oder das Wohngebiet aufgrund seiner geringen Bevölkerungs- und Bebauungsdichte extra ausgewählt haben, werden unversehens durch Dauerbelastungen bedroht, die denen einer Industrie- oder Gewerberegion nicht nachstehen. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen den Vertrauensschutz. Auch dieser Belastungspunkt müsste in einer Umweltverträglichkeitsprüfung behandelt werden.

3.3. Zusammenfassung
Auch wenn der Gesetzgeber bezüglich der Punkte 3.1. und 3.2. keine oder nur indirekt einschränkende Regeln aufstellt, müssen die Belastungskriterien "Lichtverschmutzung", die mit der Lichtkennzeichnung sogar gesetzlich vorgeschrieben ist, und "visuelle Bedrängung" in den Kanon der Gesamtbelastung der Menschen einbezogen werden. Beide Punkte beeinflussen massiv das Lebensumfeld der betroffenen Anwohner, wobei die nächtliche Lichtverschmutzung einen besonderen Stellenwert hat.
Analog zu Punkt 2. ist auch bei den Punkten 3.1. und 3.2. nach den §§ 1, Abs. 1 und 2, Abs. 1, Nr.1 UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu fordern.
  1. Vom Gesetzgeber in ihrer Auswirkung auf Fläche und Landschaft nicht ausreichend gewürdigte Bodenversiegelung
Im Zuge des Baus einer Großwindanlage entsteht naturgemäß ein hoher Bodenbedarf. Es werden Zuwegungen von beträchtlicher Breite mit einem entsprechenden Straßenkörper gebaut, die geeignet sein müssen, Schwertransporte zu bewältigen. Hinzu kommen die gleichfalls umfangreichen Fundamente der Anlagen, Straßen zu den einzelnen Anlagen und Bauflächen für die Erstellung einzelner Bausegmente.
Wobei anzumerken ist, dass die Größe der Fundamente angesichts der Höhe der Anlagen und des sehr tiefgründigen Bodens (Verlandungsfläche) für einen Teil der Anlagen als äußerst gering dimensioniert erscheint.
Insgesamt dürfte sich der Bodenverbrauch in einer Höhe von bis zu 50.000 Quadratmeter bewegen, womit Grundflächen - bei den Fundamenten bis in beträchtliche Tiefen - im Bereich eines Biotop-Verbundes grundlegend und für die Bestandszeit der Großwindanlage dauerhaft versiegelt werden. Es erfolgt damit für unabsehbare Zeit ein umfassender Bodenverbrauch, der auch nach einem Rückbau nach Jahrzehnten des Betriebs die Flächen schwerlich in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen in der Lage ist.

Zwar fordert der Runderlass der Ministerien des Innern und für die Energiewende vom 9.12.2013 im Punkt 2.2. zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung möglichst die Vermeidung, Minimierung bzw. den Ausgleich von Beeinträchtigungen, doch ist fraglich ob eine Ausgleichsflächenregelung in diesem Sinne tatsächlich den Ausgleich von Beeinträchtigungen bedeuten kann.

5. Bereitstellung von Ausgleichsflächen
Die bereits im Aufstellungsverfahren festzulegenden Ausgleichsflächen können für das Gemeindegebiet Holzdorfs weitere nicht hinnehmbare Beschränkungen, in diesem Falle insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, bedeuten.
Sofern Moorbereiche wie Großmooroder Rußlandmoor als Ausgleichsflächen herangezogen werden sollten, würden diese - auch bei einer potentiellen zusätzlichen Vernässung, soweit diese durchführbar wäre - nur theoretisch ausgleichend wirken, da sie bereits der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen sind. Um eine tatsächliche Ausgleichsfunktion zu erreichen, wären also zusätzliche Gebiete als Ausgleichsfläche zu bestimmen. Dies würde aus der Natur der Sache die Ausweisung landwirtschaftlicher Flächen bedeuten, woraus eine massive Beschränkung landwirtschaftlicher Tätigkeiten und damit eine Einschränkung der Berufsfreiheit resultieren könnte.
Nach bisherigen Erkenntnissen hätte also wieder die Gemeinde Holzdorf die Hauptlast für den Bau der Großwindanlage zu leisten.

  1. Auswirkungen der Großwindanlage auf den Tourismus
In den Stellungnahmen der Betreiber wird lapidar festgestellt, dass eine Auswirkung auf den Tourismus nicht anzunehmen bzw. zu vernachlässigen ist. Dieses mag für die Gemeinde Rieseby gelten, die in der Tat durch die aus den Anlagen resultierenden Belastungen aufgrund der Entfernungen praktisch nicht tangiert ist.
In sehr starkem Ausmaß ist indes die Tourismusgemeinde Holzdorf betroffen. Dies gilt in erkennbarem Maße für die bereits erwähnten unmittelbaren Anlieger des Nahbereichs, aber auch für etliche Objekte im Bereich der Dorfstraße von Holzdorf, die von den Großwindanlagen mit Lärm-und Schattenemissionen ebenfalls unmittelbar bedroht sind. Außerdem ist es angesichts der sich wandelnden Einstellung zu massierten Großwindanlagen nicht mehr fraglich, dass eine solche Anlage kein positiver Wegweiser zu Ferienprojekten ist. Vermieter in der unmittelbaren Nähe wären gezwungen - im Sinne von Wahrheit und Klarheit - in ihrer Werbung auf die bedrängende Nähe einer Großwindanlage hinzuweisen. Andernfalls hätten Feriengäste das Recht, ihren Preis merklich zu reduzieren, was nicht abwälzbar wäre, sondern vollständig zu Lasten des Vermieters ginge.

Im Landesteil Schwansen ergibt sich durch den Tourismus eine Wertschöpfung von insgesamt 78 Mio € pro Jahr (Erhebung 2008), eine Größe, die angesichts der lokalen Struktur nicht vernachlässigt werden darf.
Heruntergebrochen auf die zwar kleine, aber traditionell starke Tourismusgemeinde Holzdorf ergäbe sich damit bei aller Vorsicht ein ungefährer Wert von ca. 1 Mio € Wertschöpfung (basierend auf Zahlen von 2003, daher voraussichtlich heute höher). Dieser Betrag hat für die eher einkommensschwache Gemeinde Holzdorf eine beträchtliche Bedeutung. Insofern hätte auch eine nur geringfügige Verschlechterung der Bedingungen in der Gemeinde Auswirkungen, die keinesfalls vernachlässigt werden dürfen.
Auch hier hätte dann die Gemeinde Holzdorf eine Last zu tragen, die sie nicht zu verantworten hat.

7. Tieffrequenter Schall

7.1. Stellungnahme der Betreiber
Laut Aussage der Betreiber liegen zur Zeit keine belastbaren Angaben über die Wirkungen tieffrequenten Schalls auf den Menschen vor. Schädliche Umwelteinwirkungen durch Infraschall von Windanlagen seien bisher durch wissenschaftliche Untersuchungen nicht zu belegen. Das Umweltamt habe jedoch aufgrund des Mangels an umweltmedizinisch ausgerichteten Studienergebnissen 2011 einen Forschungsauftrag vergeben, der 2014 Ergebnisse zum Thema vorlegen wird.
Diese Aussage ist nur eingeschränkt richtig, da es im europäischenAusland und in den USA umfassende wissenschaftliche Untersuchungen gibt, in Deutschland zumindest Studien zu Teilbereichen. Zutreffend ist lediglich, daß diese Untersuchungen bislang nicht in die offizielle Anwendungspraxis eingegangen sind.

7.2. Fakten zur Bedeutung tieffrequenten Schalls im Umfeld von Windanlagengebieten
In einer Arbeit ("Infraschall von Windkraftanlagen als Gesundheitsgefahr") von Prof. Dr. Quambusch, Bielefeld, und Martin Lauffer, Herrischried, aus dem Jahr 2008 wird dargestellt, dass bereits damals das Bundesverwaltungsgericht nach einem diesbezüglichen Urteil des OVG Koblenz vom 3.8.2006 entschieden hat, dass sich die Rechtsprechung von der Fixierung auf die TA Lärm als einziger Norm für die Beurteilung von Belastungen lösen müsse, da sie bestimmte Arten von Schallimmissionen (Anm.: z.B. Infraschall) nicht sachgerecht erfasse. Es sei vielmehr entscheidend, ob Schallemissionen schädliche Umwelteinwirkungen i.S.v. § 3, Abs.1 BImSchG darstellen. Die Rechtsprechung hat also bereits zu diesem Zeitpunkt impliziert, dass für möglich gehalten werden muss, dass für Menschen nicht hörbarer Schall gesundheitsgefährdend sein kann.

Zahlreiche Studien und Symposien aus jüngerer Zeit haben nach Quambusch/Lauffer die Auswirkungen tieffrequenten Schalls zum Thema, wobei als gesichert anzusehen ist, dass Resonanzphänomene beobachtet werden können, wenn ein Stoff Fremdvibrationen ausgesetzt ist. So kann auch das Gehirn durch tieffrequenten Schall zur Resonanz gebracht und damit beeinflußt werden.
Unzweifelhaft ist im Übrigen das Auftreten kontinuierlicher Infraschall-Immissionen durch Windkraftanlagen, so dass ein medizinisch relevanter Zusammenhang zwischen den Schallemissionen von Windanlagen und der Befindlichkeit unmittelbar betroffener Menschen als sicher anzunehmen ist, auch wenn er in Deutschland bislang nicht ausreichend exakt beschrieben oder quantifiziert wird.
Zum Beispiel in den USA werden aber aufgrund als sicher angenommener gesundheitlicher Negativwirkungen durch Infraschall Entfernungen von ca. 2,5 km zwischen Wohngebäuden und Windanlagen festgelegt.

Wenn auch die Ergebnisse derartiger Arbeiten noch nicht in deutsche Genehmigungsverfahren eingeflossen sind, kann auch bei uns kaum mehr bezweifelt werden, dass es gesundheitlich relevante Auswirkungen des besonders weit reichenden tieffrequenten Schalls gibt. Angesichts im Jahr 2014 zu erwartender Ergebnisse aus dem Umweltbundesamt, sollte eigentlich anzunehmen sein, dass bis zu deren Vorliegen ein Moratorium vereinbart wird, um falsche Entscheidungen bezüglich gesundheitsrelevanter Faktoren zu vermeiden.

Bzw. wäre wohl auch zu prüfen, welche Haftungsgründe sich für die Betreiber aus einer neuen Lage ergeben würden.
Es wäre weiterhin zu prüfen, in welchem Ausmaße dann Handlungsbedarf für das Fortbestehen der Anlagen entstehen würde.
Aktuell wären zu den derzeit anerkannt quantifizierbaren Belastungen/Gefährdungen durch Großwindanlagen zusätzlich Haftungsgründe zu ermitteln und zu bewerten.

8.Thermik
Ähnlich wie der tieffrequente Schall wird auch die Gesamtwirkung der Thermik von massierten Großwindanlagen derzeit nicht berücksichtigt, obwohl sie per se vorhanden ist. Denn die nicht synchronisierten Bewegungen der Rotoren haben durch Druck/Sog Auswirkungen bis hin zu starken Turbulenzen sowohl nach den Seiten, bis zum Boden und nach oben (das Fraunhofer-Institut hat den Bereich bis 500 m über Grund untersucht).
Bezüglich der "Schredderwirkung" von Rotoren werden von interessierter Seite in der Regel relativierende und beschwichtigende Aussagen gemacht, die erfahrungsgemäß zweifelhaft sind. Bezüglich der Druck- und Sogwirkung von Rotoren werden überhaupt keine konkreten Aussagen getroffen, obwohl bekannt ist, dass es bei Fledermäusen zu tödlichen Lungenschäden kommen kann.
In Süddeutschland ist aufgrund vor allem von Horizontalturbulenzen im Bereich von Windanlagen der Bau eines Windparks in der Nähe eines Flugplatzes für Leichtflieger verboten worden. Im Vergleich mit diesen Kleinflugzeugen dürften z.B. Seeadler noch stärker durch Turbulenzen in Mitleidenschaft gezogen werden - mit entsprechenden Folgen (ca. 26 % der Seeadlerverluste im Land beruhen auf Unfällen mit Windanlagen, wobei zwischen dem Schreddereffekt und Turbulenzen nicht exakt zu unterscheiden ist).

Weitere Auswirkungen der Thermik von Großwindanlagen können bei flacher Druckverteilung lokale meteorologische Auswirkungen sein (Entstehung lokaler Tiefs mit potentiellen Niederschlägen).

9. Stellungnahme zum faunistischen Gutachten der Firma Bioplan
(Die Stellungnahme wurde mit fachlicher Unterstützung durch die Planungsbüro Mordhorst- Bretschneider GmbH, Nortorf, erarbeitet).

9.1. Vorbemerkung
Wie am Beginn bereits beschrieben, umschließt die Planungsfläche der sechs Großwindanlagen ein seit Jahren umrissenes und von den maßgeblichen Stellen registriertes und kartiertes Biotop-Verbundsystem, das sich über die Bundesstraße 203 hinaus nach Osten bis zu den Moorflächen der Gemeinden Holzdorf, Loose und Waabs erstreckt. Zusammen mit dem Saxtorfer Moor handelt es sich hier um die einzige größere Moorfläche in der Landschaft Schwansen. Südlich an das Saxtorfer Moor schließt sich eine offene postglaziale Verlandungsfläche auf tiefgründigem Moorboden (bis zu 11 m Stärke) an, die seit Jahrzehnten nur extensiv genutzt wird.
Ausweislich der Pflanzenstatistik des Landesamtes für Naturschutz hat sich dementsprechend eine typische Flora mit charakteristischen Verlandungsgesellschaften entwickelt, die zu der moorcharakteristischen Flora mit gefährdeten/geschützten Pflanzen wie z.B. Sonnentau oder Wollgras hinzukommt.
Zusammen mit den Mischwaldflächen, Gehölzen, Feuchtflächen und Tümpeln stellt dieser Biotop-Verbund erkennbar einen wertvollen, äußerst sensiblen Standort dar, der im Sinne des Landschaftsschutzes nach vernünftiger Abwägung eine entsprechend Würdigung zu erfahren hätte.

9.2. Faunistische Aspekte
Der faunistische Fachbeitrag des Gutachterbüros Bioplan zum geplanten Windpark beruht auf 2012 vorgenommen Geländeerhebungen zu Großvögeln und Fledermäusen, Potenzialabschätzungen und Datenabfragen bei Behörden und Verbänden. Hinsichtlich der ebenfalls enthaltenen artenschutzrechtlichen Beurteilung kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass artenschutzrechtliche Verbotstatbestände durch die Umsetzung des Gesamtvorhabens nicht verwirklicht werden.
Vordergründig werden im Gutachten die Mindeststandards, die an die faunistische Bewertung von Windpark-Planungen anzulegen sind, eingehalten. Bei genauerer Betrachtung offenbaren sich aber Erfassungsmängel und teils widersprüchliche gutachtliche Aussagen, die vor allem hinsichtlich der Beachtung artenschutzrechtlicher Belange nicht unwidersprochen bleiben können.
Auf folgende Punkte ist besonders hinzuweisen:

Uhu
Das zum Plangebiet benachbarte Kollholz ist ein tradiertes Brutrevier des Uhus. Der Umstand, dass 2012 und 2013 keine erfolgreichen Bruten erfolgten, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. 2013 wurde das ansässige Revierpaar bei der Brut gestört, so dass diese abgebrochen wurde. Aktuell (März 2014) horstet das Uhu-Paar auf einer 2013 ausgebrachten Nisthilfe und hat mit der Brut bereits begonnen (Landesverband Eulenschutz, Herr Reiser).
Vor diesem Hintergrund ist der Uhu entgegen der Aussage im Gutachten (Punkt 5.1.1.1) im Betrachtungsraum als Brutvogel anzusehen und in der Auswirkungsbetrachtung entsprechend zu behandeln. Zu bewerten ist dabei insbesondere die Bedeutung des geplanten Windparkgebietes als Jagdraum.

Seeadler
Der Bedeutung des Plangebietes für den Seeadler wird das Gutachten nicht gerecht. Das Vorhabensgebiet liegt im Zentrum der sich überlappenden Streichbereiche der bekannten Seeadler-Vorkommen am Hemmelmarker See, bei Thumby (Bienebek) sowie bei Füsing nördlich der Schlei. Im benachbarten Kollholz befindet sich außerdem ein ehemaliger Seeadler-Horst, für den eine Wiederbesetzung jederzeit möglich erscheint. Wiederholt konnten hier in der jüngsten Vergangenheit von einem örtlich ansässigen Jäger balzende Seeadler protokolliert werden. Die Brutplätze am Hemmelmarker See und bei Thumby befinden sich deutlich weniger als 6 km vom Plangebiet entfernt und damit innerhalb des Prüfbereiches für Nahrungsflächen und regelmäßig genutzte Flugrouten gemäß den "Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein" des LLUR. Den damit verbundenen Anforderungen an den Untersuchungsumfang genügt das Gutachten nicht. Insbesondere ist eine Raumnutzungsanalyse mit den hauptsächlich genutzten Nahrungsrevieren und wichtigsten Flugrouten zu ergänzen.
Laut Gutachten wurden Seeadler nur an einem von 20 Beobachtungstagen 2012 über dem Plangebiet kreisend beobachtet. Im Gegensatz hierzu stehen zahlreiche Beobachtungen Ortsansässiger, die aktuelle Sichtungen teilweise wöchentlich nachweisen. Auf die protokollierte Sichtung balzender Seeadler über dem Kollholz wurde oben bereits hingewiesen. In die Konfliktanalyse des Gutachtens und artenschutzrechtliche Bewertung des Vorhabens, sind die genannten Beobachtungen mit einzubeziehen.
Für den Fall, dass es im Kollholz zu einer Wiederansiedlung des Seeadlers kommt, ist durch die Planung der potenzielle Beeinträchtigungsbereich (LLUR 2013) im Umkreis von 3 km um den Brutplatz betroffen. Artenschutzrechtliche Verbotstatbestände dürften dann aufgrund der Biotopstrukturen des Plangebietes kaum auszuschließen sein, so dass die Planung nicht umgesetzt werden kann.

Zugvögel / Rastvögel
Die mit 200 m Gesamthöhe geplanten Windenergieanlagen erreichen für Schleswig-Holstein bisher nicht bekannte Dimensionen. Es ist daher für das Vorhaben zu prüfen, ob dadurch bedingt auch abseits der bekannten Leitlinien des Vogelzuges Barrierewirkungen entstehen, die eine besondere Konfliktsituation bedeuten. Ähnliches gilt auch für die regionalen Ortswechsel im Ostseeküstenraum rastender Vögel, wie sie z. B. zwischen der EckernförderBucht und der Schlei zu beobachten sind.

Fledermäuse
Das Gutachten weist erhebliche Defizite in der Erfassung und Bewertung ziehender (migrierender) Fledermäuse auf. Einerseits wird darauf hingewiesen, dass eine akustische Erfassung in größerer Höhe ziehender Fledermäuse kaum möglich ist, da die wenigen Ortungsrufe nicht bis zum Boden reichen (Punkt 5.2.2.1). Andererseits wird postuliert, dass im Plangebiet nach den Untersuchungsergebnissen kein nennenswerter Fledermauszug stattfindet und kein erhebliches Konfliktpotenzial besteht (Punkt 6.2).
Belastbare Aussagen zu wandernden Fledermäusen können auf der Grundlage allein bodengestützter Erfassungen (Horchboxen, Detektorbegehungen) nicht getroffen werden. Ein bedeutsamer Fledermauszug mit damit verbundenen artenschutzrechtlichen Konflikten kann daher für das Plangebiet entgegen der Aussage im Gutachten nicht sicher ausgeschlossen werden. Es sind deshalb Abschaltregelungen erforderlich, die einen Betrieb der Anlagen zu den zugrelevanten Zeiten ausschließen. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, ist im Windpark außerdem ein Höhenmonitoring über zwei Zugperioden hinweg vorzusehen, das in seiner Konfiguration die bei den geplanten Anlagen mit bis 127 m sehr großen Rotordurchmesser berücksichtigen muss.

Biotopverbund / Vernetzungsstrukturen
Das Plangebiet befindet sich in einem strukturreichen Kulturlandschaftsausschnitt der Halbinsel Schwansen. Benachbart liegen mit dem Wald Kollholz im Nordwesten und dem Saxtorfer Moor im Südosten auch flächenmäßig bedeutsame naturnahe Lebensräume.
Im Gutachten fehlen Aussagen zu möglichen Auswirkungen der Planung auf diese Biotopkomplexe und zu ggf. bestehenden Austauschbeziehungen zwischen diesen und weiteren im Gebiet vorhandenen Biotopen (Feldgehölze, Kleingewässer), die neben den im Gutachten behandelten Vögeln und Fledermäusen auch andere Tiergruppen betreffen können (z. B. Amphibien). Auch sind mögliche baubedingte Störungen zu berücksichtigen, wie sie seitens der Jägerschaft für die im Gebiet einstehenden umfangreichen Damwild-Bestände befürchtet werden.



10. Zusammenfassende Würdigung der Umweltprüfung der Betreiber und des faunistischen Gutachtens der Firma Bioplan
Formal hält die Umweltprüfung im Bereich der vom Gesetzgeber geregelten Umweltfaktoren, die den Menschen betreffen, Verfahrensvorschriften ein.
Bei Prüfung der Angaben wird jedoch deutlich, dass z.B. Daten für Schall oder Schattenwurf auf generalisierten Annahmen beruhen, deren tatsächlicher Nachweis noch aussteht. Insofern haben die Aussagen, die sich laut Betreiber jeweils im Rahmen gesetzlicher Vorgaben bewegen, wenig Wert.

Aspekte wie "visuelle Bedrängung" oder "Lichtverschmutzung" werden nur am Rande oder gar nicht thematisiert.
Dass der Gesetzgeber aus Sicherheitsgründen die Befeuerung von Anlagen vorschreibt, ändert nichts an der Tatsache, dass die nächtliche Befeuerung einer Großwindanlage in einer dünn besiedelten und daher nachts nicht durch andere Lichtquellen verschmutzten Region eine beträchtliche Belastung des Umfeldes und der darin wohnenden Menschen darstellt.

Bezüglich der "visuellen Bedrängung" ist - auch wenn der Gesetzgeber das Thema in seinen Konsequenzen anscheinend noch nicht in ausreichender Weise wahrnimmt - mittlerweile medizinisch unumstritten, dass dieser Faktor im Rahmen der vorgegebenen Abstände einen wichtigen Teil der für den Menschen gravierend negativen Umweltbeeinflussung darstellt.

Die miteinander in Beziehung stehenden Teilbereiche Bereiche"Bodenversiegelung und "Ausgleichsflächen" sind insofern nicht befriedigend behandelt worden, als durch die formalistisch erscheinenden Festlegungen die tatsächliche Negativwirkung nicht klar dargestellt wird. Ein Faktum ist indessen, dass angesichts der vermutlich jahrzehntelang andauernden Versiegelung eine ausreichende Wiederherstellung in dem - wie beschrieben - sehr sensiblen Bereich keinesfalls gesichert werden kann bzw. dass sie als höchst unwahrscheinlich anzusehen ist. In der Bemessung der Ausgleichsflächen können sich für die Landwirte der Gemeinde Holzdorf weitreichende und nicht zu tolerierende Berufseinschränkungen ergeben.

Das Thema Tourismus wird völlig willkürlich als nicht relevant bezeichnet, obwohl auch hier wiederum bleibende Lasten für die Gemeinde Holzdorf entstehen werden, auch wenn diese derzeit nicht exakt quantifiziert werden können. Der Bereich "Infraschall" wird aufgrund der Tatsache, dass erst ab 2014 eine offiziell in Auftrag gegebene deutsche Studie vorliegen wird, praktisch ausgespart bzw. negiert. Es hätte sicherlich der Klarheit und damit der Vertrauensbildung gedient, wenn dieser Bereich mit seinen potentiellen Folgen umfassender thematisiert worden wäre.

Zur Thermik bzw. möglichen Turbulenzen im Bereich von Großwindanlagen wird nicht Stellung genommen, obwohl die Problematik bekannt ist und Gerichtsentscheidungen vorliegen. Auch hier wäre eine Erörterung der Klarheit und Vertrauensbildung dienlich gewesen.

Insbesondere das faunistische Gutachten der Betreiber ist aus verschiedenen Aspekten in Zweifel zu ziehen. Hier kommt den sich über lange Fristen erstreckenden Sichtungsprotokollen ansässiger Jäger und fachkundiger Naturbeobachter, die andere Erkenntnisse vorweisen können als das Bioplan-Gutachten, eine große Bedeutung zu, ebenso wie den Angaben des Eulenschutzes oder der Projektgruppe Seeadlerschutz.
In der Wirkung zynisch erscheint die Aussage der Betreiber, dass an den Masten der Windanlagen - also sozusagen hinterher - Horchboxen angebracht werden könnten, um in größeren Höhen fliegende Fledermäuse verlässlich zu orten.

Irreführend ist die Aussage der Betreiber, dass im Bereich der Anlagen Waldgebiete usw. zu einem Biotop zu entwickeln sein werden. Die laut Gutachter angestrebte biologisch wertvolle Landschaft in ihrer gesamten Diversität ist bereits vorhanden, würde aber durch Bodenversiegelung u.a. beträchtlich geschädigt werden.

Zusammenfassend muss man zu dem Schluss kommen, dass die Umweltprüfung der Betreiber lediglich Mindestanforderungen teilweise genügt, teilweise diese sogar unterschreitet.
Sie ist insofern nicht geeignet, Bedenken über die Installierung der Großanlage zu zerstreuen.

Unter verschiedenen Gesichtspunkten, beginnend bei den vom Gesetzgeber vorgesehenen Festlegungen/Einschränkungen über gesetzlich vorgesehene, nicht vermeidbare Voraussetzungen (Befeuerung) bis zu den vom Gesetzgeber nicht oder nicht ausreichend definierten Belastungsdetails muss davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Belastung und Einschränkung der Lebensverhältnisse der betroffenen Menschen nicht einmal im Ansatz zutreffend beschrieben worden ist.
Eine gründliche und umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung ist im Sinne der Lastenverteilung unabdingbar notwendig!
Dies insbesondere auch unter dem Aspekt, dass die von der Landesregierung angestrebte Fläche für Windanlagen von 1,5 Prozent mit 1,78 Prozent bereits überschritten ist.    


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Norbert Jordan
-Verwaltung-

Anlagen:
- amtliche Bekanntmachung nach § 10 (3) BImSchG